Ertragswertverfahren – verständlich erklärt – Schritt für Schritt
Hilger & Hilgers Leitlinien bei jeder Bewertung
Da bekanntlich jeder Eigentümer seine Immobilie NUR EINMAL verkaufen kann, müssen schon bei der Bewertung die richtigen Weichenstellungen für einen maximalen Verkaufserfolg gesetzt werden. In Anbetracht dessen gelten bei Hilger & Hilger für jede Bewertung stets diese Grundsätze:
- Sie ist immer Chefsache.
- Die Ziele des Auftraggebers werden berücksichtigt.
- Sie erfolgt auf der Grundlage aktuellster Daten und Zahlen.
- Das Ergebnis muss transparent und nachvollziehbar sein.
Inhaltsverzeichnis
Grundsätzliches zum Ertragswertverfahren
Beim sog. Ertragswertverfahren ist es das Ziel, den Wert der Immobilie zu erfahren, der dauerhaft erwirtschaftet werden kann. Die Wertermittlung z.B. eines Mehrfamilienhauses ist wesentlich komplexer, als es vordergründig den Anschein hat.
Des Weiteren ist zu beachten, dass jeder Rechenschritt bei der Wertermittlung gravierenden Einfluss auf das Endergebnis nach sich zieht und so nicht nur Marktkenntnis, sondern konkretes Fachwissen absolut notwendig sind.
Zum Verständnis für des Ertragswertverfahrens ist wichtig zu wissen, dass
- der Bodenwert des Grundstückes
und
- der Wert der baulichen Anlagen unter Ertragsgesichtspunkten
strikt getrennt bewertet werden. Warum das so ist, ist einleuchtend. Der Grund und Boden verliert nicht an Wert, das Gebäude aber schon. Beim Gebäude kommt es vordergründig also nicht auf den Sachwert als solchen an, sondern auf die verbleibende Nutzungsdauer.
Konkret, wie lange man die wirtschaftlichen Erträge (sprich Mieten) noch erzielen kann.
Die Nutzungsdauer von Wohngebäuden wird zwischen 80 – 100 Jahren angesetzt, wenn nicht hohe werterhaltende Maßnahmen ergriffen werden.
Der Zustand des Gebäudes als solches (und damit indirekt dessen Sachwert) ist nur insofern relevant, als sich daraus zukünftige Investitionen für den Erhalt, für mögliche Modernisierungen und die Nutzungsdauer ableiten lassen.
Folgende vier wichtige Schritte beim Ertragswertverfahren werden erläutert:
- 1. Berechnung des Reinertrages des Grundstückes
- 2. Bestimmung des Bodenwertes
- 3. Nutzen des Multiplikators zur Ertragswertbestimmung der baulichen Anlagen
- 4. Marktanpassung unter Berücksichtigung einer erhöhten Nachfrage, objektspezifischer Besonderheiten
Berechnung des Reinertrages des Grundstückes
Vorweg: Nicht die tatsächlich erzielten Mieten werden zugrunde gelegt, sondern die am Markt üblichen und nachhaltig zu erzielbaren Mieten. Sollten diese von den tatsächlich erzielten Mieten abweichen, wird dieses im Zuge der Marktanpassung unter Punkt 6.4 berücksichtigt.
Berechnung des marktüblichen Jahresreinertrages des Grundstückes:
Marktüblich erzielbarer Jahresrohertrag (Summe aller Nettomieten im Abrechnungszeitraum)
abzüglich nicht umlagefähiger Bewirtschaftungskosten (Verwalter- und Betriebskosten, Instandhaltungsrücklage und Mietausfallwagnis)
Ergebnis: Marktüblicher Jahresreinertrag des Grundstückes
Beispiel: Ertragswertverfahren eines Mehrfamilienhauses:
Gesamte Wohnfläche 950 m², Mietzins pro Quadratmeter € 11,-, nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten pauschal Minimum 25 % (€ 31.350,-)
Jahresrohertrag: € 125.400,- p.a. (€ 1.000,- * € 11/m² * 12 Monate)
Jahresreinertrag des Grundstückes: € 94.050,- (€ 125.400,- minus 25% Bewirtschaftungskosten i. H. von € 31.350,-)
Bestimmung des Bodenwertes
Der Bodenwert für das Grundstück als einer der beiden tragenden Säulen des Bewertungsergebnisses wird wie folgt berechnet:
Grundlage für eine realistische Bewertung sind zum einen die Bodenrichtwerte der Gutachterausschüsse und zum anderen, konkrete Vergleichswerte von Grundstücksverkäufen aus der Vergangenheit. Es wird somit für diesen Teilaspekt das sog. Vergleichswertverfahren herangezogen. D.h., der Quadratmeterpreis von vergleichbaren Grundstücken wird mit der Anzahl der gegebenen Quadratmeter des Grundstückes multipliziert. Der Bodenwert wird fiktiv auf ein unbebautes Grundstück bezogen.
Beispiel: Grundstücksgröße 780 m², Quadratmeterpreis € 1.500,-
Bodenwert: € 1.170.000,- (780 m² * € 1.500,-/m²)
Bodenwertverzinsung – Ausgleich für die getrennte Berechnung des Grundstückes und der Gebäude
Der oben ermittelte Reinertrag des Grundstückes ist durch eine angemessene Verzinsung des Bodenwertes zu verringern.
Hier wird der Grund für diese Korrektur erklärt. Ohne diese Korrektur würde der Bodenwert des Grundstückes doppelt berücksichtigt werden
- einmal als Bodenwert als solcher
und das andere Mal
- als Bestandteil des Reinertrages des Grundstückes.
Fakt ist, dass die erzielten Mieteinnahmen nicht nur durch das Gebäude allein erzielt wurden, sondern zwangsläufig natürlich auch durch das Grundstück, auf dem das Gebäude steht.
Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die Verzinsung des Bodens gleich sein muss mit dem im weiteren Verlauf der Bewertung noch wichtigen sog. Liegenschaftszins.
Sog. Liegenschaftszins
Beim sog. Liegenschaftszins handelt es sich um einen spezifischen Zinssatz, mit dem der Verkehrswert der Immobilie zu marktüblichen Konditionen verzinst (kapitalisiert) wird. Er spiegelt quasi die Zukunftserwartungen der Markteilnehmer wider.
Er wird rückblickend aus vergangenen Transaktionen vom Gutachterausschuss in tabellarischer Form festgesetzt. Dort kann man ihn erfahren. Berücksichtigt werden hierbei die Grundstückslage, die Art und die Restnutzungsdauer des Objektes.
Er berücksichtigt die Wertstabilität von Immobilien und ist gänzlich unabhängig von den Schwankungen des Kapitalmarktes – d.h. er ist relativ stabil. Bei Wohnimmobilien wird anerkanntermaßen ein Wert von 5 % p.a. als angemessen erachtet.
Bodenwertverzinsung
Die Bodenwertverzinsung setzt sich also zusammen aus der Multiplikation des Bodenwertes mit dem Liegenschaftszins.
Beispiel: Bodenwert von € 1.170.000,- , Liegenschaftszins 5 % p.a.
Bodenwertverzinsung: € 58.500,- (€ 1.170.000,- * 5 % )
Jahresreinertrag der baulichen Anlage
Damit der Bodenwert bei der Bewertung konsequent nur einmal in die Bewertung einfließt, muss die Bodenwertverzinsung vom Reinertrag des Grundstückes abgezogen werden. So erhält man den Reinertrag der baulichen Anlagen.
Beispiel: Reinertrag des Grundstückes € 94.050,-, Bodenwertverzinsung € 58.500,-
Reinertrag der baulichen Anlage € 35.550,- (€ 94.500,- minus € 58.500,-)
Sinn und Nutzen des Multiplikators / Vervielfältigers zur Ertragswertbestimmung
Vorweg: Der Multiplikator wird auch Vervielfältiger, Wert-, Barwert-, Rentenbar- oder Diskontierungssummenfaktor bezeichnet.
Ertragswert errechnen
Dem Multiplikator kommt im Ertragswertverfahren eine hohe Bedeutung zu. Es ist eine Zahl mit zwei Stellen hinter dem Komma. Anhand dieser Zahl kann man sehen, für das Wievielte der Jahresmiete das Objekt verkauft wird oder mit anderen Worten:
wie lange es dauert, bis sich der Kauf rentiert hat. Je höher also der Multiplikator ist, umso teurer wird die Immobilie und umso niedriger ist die Rendite.
Im Zuge der Wertermittlung kann mit ihm der Ertragswert der baulichen Anlage/ Gebäudeertragswert errechnet werden.
Hierfür wird der Jahresreinertrag der baulichen Anlagen mit diesem Faktor multipiziert.
Den Multiplikator kann man entweder mit einer komplizierten Formel berechnen oder einer allgemein zugänglichen Tabelle entnehmen, wenn man folgende zwei Faktoren kennt:
- die Restnutzungsdauer des Gebäudes
und
- den Liegenschaftsfaktor
Der Liegenschaftszins ist schon oben unter 6.4 erklärt. Zusammenfassend kann man ihn als Prozentsatz beschreiben, mit dem bestimmte Immobilien in Deutschland im Durchschnitt verzinst werden. Für den Liegenschaftsfaktor haben sich folgende Werte mehr oder weniger etabliert:
- Wohngeschäftsgrundstück 5 % p.a.
- Geschäftsgrundstück 6,5 % p.a. (in Kleinstädten eher 6,0 % p.a., in Großstädten eher 8,0 % p.a.)
Grundsätzlich kann man zum Multiplikator sagen, dass er sich erhöht, wenn die Restlaufzeit zunimmt. Dieses liegt auf der Hand. Schließlich macht es einen Unterschied, ob man 20 oder noch 40 Jahre wirtschaftlichen Nutzen aus dem Anlageobjekt ziehen kann.
Beispiel: Jahresreinertrag der Baulichen Anlage € 35.550,-, Restnutzungsdauer 35 Jahre, Liegenschaftszins 5 % p.a. ergibt einen Multiplaktor von: 16,37
Ertragswert der baulichen Anlage/Gebäudeertragswert: € 581.953,- (€ 35.550,- * 16,37)
Vorläufiger Ertragswert
Der vorläufige Ertragswert ergibt sich aus der Summe von
- 1. Gebäudeertragswert
- 2. Bodenwert des gesamten Grundstückes
Beispiel: Gebäudeertragswert: € 582.000,- (aufgerundet), Bodenwert € 1.170.000,-
Vorläufiger Ertragswert: € 1.752.000,- ( € 582.000,- plus € 1.170.000,-)
Marktanpassung hinsichtlich objektspezifischer Besonderheiten
Der vorläufige Ertragswert ist noch an die marktspezifischen Besonderheiten – wie:
- Sehr hohe Nachfrage
und z.B. folgende objektspezifische Besonderheiten gekoppelt
- Berücksichtigung der tatsächlichen Mieteinnahmen
- Renovierungsstau
- Bauschäden
plus: Hohe Nachfrage plus € 200.000,-
minus: reale Mieteinnahmen € 100.000,- da der tatsächliche Quadratmeterpreis € 9,50/m² und nicht € 11,-/ m² ist (rein rechnerisch ergäbe es einen geminderten Ertragswert von €209.955,-. Es wird unterstellt, dass der marktübliche Wert von €11,-/m² sukzessiv in der nächsten Zeit angepasst werden
Bauschäden minus € 45.000,-
Wertanpassung: Plus € 55.000,-