Gewinnt wegen eingebrochener Nachfrage wieder an Bedeutung
Das Sachwertverfahren ist neben dem Vergleichs- und Ertragswertverfahren eine der drei Säulen bei der Bewertung von Immobilien. Es wird vornehmlich für die Bewertung von selbst genutzten Ein- und Zweifamilienhäusern angewendet. Durch die stark eingebrochene Nachfrage kommt dem rechnerisch ermittelten Sachwert wieder eine größere Bedeutung zu.
Erfahren Sie im Folgenden das Wichtigste zum Sachwertverfahren, die Vor- und Nachteile und wie man zu einer realistischen Marktanpassung kommt.
Die Grundsätze von Hilger & Hilger bei jeder Bewertung
Da bekanntlich jeder Eigentümer seine Immobilie NUR EINMAL verkaufen kann, müssen schon bei der Bewertung die richtigen Weichenstellungen für einen maximalen Verkaufserfolg gesetzt werden. In Anbetracht dessen gelten bei Hilger & Hilger für jede Bewertung stets diese Grundsätze:
- Sie ist immer Chefsache
- Die Ziele des Auftraggebers stehen im Mittelpunkt
- Sie erfolgt auf der Grundlage aktuellster Daten und Zahlen
- Das Ergebnis muss transparent und nachvollziehbar sein
Wann und warum wird das Sachwertverfahren angewandt?
Liegen nicht genug Vergleichsobjekte vor, greift man „notgedrungen“ auf die Sachwerte des Grundstückes und des Gebäudes der zu bewertenden Immobilie zurück, um sich so einem marktgerechten Verkehrswert zu nähern.
Dieses ist oft bei selbstgenutzten Ein- und Zweifamilienhäuser (frei stehend oder nicht) der Fall, da sie nicht nur von der Art, vom Typ, Alter und der Qualität der Ausstattung sehr unterschiedlich sind, sondern auch die Grundstücksgrößen sehr stark variieren.
Das Gleiche gilt auch für vermietete Ein- und Zweifamilienhäuser. Auch bei diesen Objekten kann oftmals die „übliche“ Miete für die unterschiedlichen Objekte aufgrund mangelnder Auswahl- und Vergleichsmöglichkeiten nicht ermittelt werden.
Anmerkung: Da o.g. Aspekte auch für öffentliche Objekte (z.B. Bahnhof) und größtenteils auch für gewerbliche Immobilien (z.B. Fabrikationshalle) gelten, wird auch hier das Sachwertverfahren angewandt.
Liegt eine ausreichende Anzahl an Vergleichsobjekten vor (oftmals bei ähnlichen Ein- oder Zweifamilienhäusern, Reihen- oder Doppelhäusern aus derselben Baureihe und dem gleichen Viertel oder im sog. Siedlungsbau), führt das Vergleichswertverfahren von vorneherein zu marktgerechten Verkaufspreisen.
Sachwertverfahren – vom vorläufigen zum endgültigen Wert
Ausgangspunkt ist die Summe aus dem reinen Sachwert des Grundstückes und dem Zeitwert des Gebäudes, einschließlich der Außenanlagen
(= vorläufiger Sachwert). Dieser Wert wird den besonderen Marktverhältnissen und objektspezifischen Besonderheiten angepasst.
Vorläufiger Sachwert
Die Addition des Grundstückswertes mit den (fiktiven) Kosten für die Wiederherstellung des Gebäudes im aktuellen Zustand klingt erst mal einfach. Die Komplexität ergibt sich daraus, dass die (Wieder-) Herstellungskosten sehr detailliert ermittelt werden müssen, bevor sie an das tatsächliche Alter und den Renovierung-grad der Immobilie angepasst werden.
Bodenwert berechnen
Zur Ermittlung des Grundstückswertes kann man einerseits auf die Bodenrichtwerte der jeweiligen Gutachterausschüsse zurückgreifen und andererseits auf tatsächliche Verkaufspreise – vorausgesetzt, Vergleichswerte aus bereits abgewickelten, entsprechenden Grundstücksverkäufen liegen vor.
Diese werden als durchschnittliche Quadratmeterpreise von den jeweils zuständigen Gutachterausschüssen in Form einer Bodenrichtwertkarte herausgegeben. Zieht man die Bodenrichtwerte heran, ist immer zu beachten, dass
- sich diese nicht auf ein bestimmtes Grundstück beziehen, sondern nur einen Durchschnittswert für ein bestimmtes, abgegrenztes Gebiet (sog. Richtwertzone) angeben, in dem das betreffende Grundstück liegt.
- sich der Bodenrichtwert auf eine bestimmte, unterstellte Bebaubarkeit des Grundstückes bezieht. Konkret wird hierfür die Geschossflächenzahl/GFZ angegeben. Je höher dieser Wert ist, umso höher ist die Bebaubarkeit. Diese GFZ kann aber in dem betreffenden, abgegrenzten Gebiet, für das der Bodenrichtwert angegeben wurde, durchaus unterschiedlich sein.
- Bodenrichtwerte nur alle zwei Jahre zum Jahresende aktualisiert werden. Dementsprechend muss eine eventuell zwischenzeitlich erfolgte Entwicklung der Preise berücksichtigt werden.
- der Bodenrichtwert für das konkrete Grundstück mit vorgegebenen Umrechnungskoeffizienten den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden muss.
In Kombination mit den sonstigen, individuellen Vor- und Nachteilen des Grundstückes (z.B. Ausrichtung, Lärmbeeinträchtigung, Nachbarschaft) wird so ein marktgerechter Wert nur für das Grundstück ermittelt. Es wird im Übrigen immer fiktiv unterstellt, dass das Grundstück unbebaut ist.
Beispiel: Bodenrichtwert € 1.500,-/m² bei einer GFZ von 0,25, Grundstücksgröße 700 m².
Das Grundstück liegt besonders ruhig am Ende einer Sackgasse und kann sogar noch höher bebaut werden (GFZ von 0,4). Unterstellter Quadratmeterpreis für dieses Grundstück: € 1.950,- /m².
Bodenwert: € 1.365.000,- (700 m² * € 1.950,-/m²)
Gebäudesachwert berechnen
Auch die Ermittlung des Gebäudesachwertes ist von der rein rechnerischen Seite hergesehen einfach: Herstellungskosten minus Altersminderung.
Herstellungskosten
Allerdings sind die Herstellungskosten – wie erwähnt – aufwendig zu berechnen. Letztere beziehen sich nicht auf die ursprünglichen, tatsächlichen Ausgaben, sondern auf eine „gewöhnliche“ Umsetzung des Bauvorhabens.
Die Berechnung erfolgt auf der Grundlage der umfangreichen Sachwertrichtlinie des Jahres 2012 mit zahlreichen Formeln und Tabellen.
Vereinfacht ausgedrückt, erfolgt danach die Berechnung der Herstellungskosten wie folgt:
Zunächst wird die Art des Gebäudes spezifiziert und eventuell spätere Dach- und Untergeschossausbauten mit einbezogen. Dann wird der Zustand bewertet und schließlich die Qualität der einzelnen verwendeten Bauelemente (u.a. Dach, Wände, Türen, Fenster, Treppen, Fußböden, Heizung und Sanitäranlagen).
Aus all diesen Faktoren werden die sog. Regelherstellungskosten errechnet. Diese wiederum beruhen auf den Normalherstellungskosten 2010 (NHK 2010) und werden in Euro/m2 Bruttogrundfläche (BGF) einschließlich Baunebenkosten und Umsatzsteuer für die jeweilige Gebäudeart (Kostenstand 2010) angegeben.
Da die Regelherstellungskosten auf Zahlen aus dem Jahr 2010 beruhen, ist noch die stetig steigende Baupreisentwicklung zu berücksichtigen. Hierfür gibt es einen Baukostenindex, der jedes Jahr vom Statistischen Bundesamt aktualisiert und vom Bundesamt für Finanzen veröffentlicht wird. Für das Jahr 2019 beträgt der Index 122 (basierend auf dem Jahr 2010 = 100).
Zusätzlich zu der Aktualisierung der Regelherstellungskosten sind auch noch besondere Ausstattungsmerkmale, eventuelle Sanierungsmaßnahmen oder notwendige Renovierungsmaßnahmen bei den Regelherstellungskosten anzurechnen.
Um die Herstellungskosten zu ermitteln, wird der endgültige Wert der Regelherstellungskosten mit der Bruttogrundfläche des zu bewertenden Objektes multipliziert.
Beispiel: Aktualisierte Regelherstellungskosten € 1.850,- / m², Bruttogrundfläche: 280 m² der Immobilie Herstellungskosten: Aufgerundet € 518.000,- ,- (€ 1.850,-/m² * 280 m²)
Altersminderung
Da der Zeitwert des Gebäudes zum Zeitpunkt der Bewertung entscheidend ist, muss noch das Alter der Immobilie berücksichtigt werden.
Es wird dabei unterstellt, dass die Gebäude gleichmäßig (also linear) altern und entsprechend an Wert verlieren.
Aktuell geht der Gesetzgeber bei Einfamilienhäusern von einer Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren aus. Das bedeutet eine Wertminderung von 1,25 % pro Jahr (100 % : 80 Jahre Gesamtnutzungsdauer = 1,25 % p.a.).
Beispiel: Herstellungskosten € 518.000,-, Alter des Gebäudes: 15 Jahre – entspricht 18,75 % Altersminderung (15 * 1,25 % p.a.) = ca. € 97.000,-
Zeitwert der Herstellungskosten: Aufgerundet € 483.000,- (€ 1.850,-/m² * 280 m² = € 518.000,- * minus € 97.000,-)
Sonstige bauliche Anlagen und Außenanlagen berechnen
Hierunter fallen z.B. Garagen, Wege auf dem Grundstück, Einfriedungen und die Anlage des Gartens als solches.
Liegen keine außergewöhnlichen Besonderheiten vor, hat sich eine Pauschalierung zwischen 1 % bis 5 % der Herstellungskosten des Gebäudes etabliert.
Beispiel: Die sonstigen baulichen Anlagen und Außenanlagen liegen im gehobenen, mittleren Niveau und werden aufgrund dessen mit 3 % der Herstellungskosten berechnet.
Wert der sonstigen baulichen Anlagen und Außenanlagen: ca. € 14.500,- (€ 483.000,- * 3 %)
Ergebnis vorläufiger Sachwert
Der vorläufige Sachwert addiert sich aus der Summe von Bodenwert, Zeitwert des Gebäudes und der sonstigen baulichen Anlagen und Außenanlagen.
Marktanpassungsfaktor
Der Marktanpassungsfaktor dient der Korrektur von regionalen Unterschieden auf dem Grundstücksmarkt.
Dieser Wert wird vom jeweiligen Gutachterausschuss auf der Grundlage von real erzielten Kaufpreisen im Verhältnis zu den vorläufigen Sachwerten ermittelt. Der Gutachterausschuss München gibt mehrere Marktanpassungsfaktoren heraus und differenziert dabei z.B. nach:
- Der Lagequalitiät
- Baujahrsgruppen
- Der Restnutzungsdauer
- Dem Bodenwertanteil
Von daher ist es verständlich, dass die einzelnen Werte der verschiedenen Marktanpassungsfaktoren differieren. Ist nicht eines der o.g. Merkmale für die Bewertung besonders relevant, wird eine Mittelung der verschiedenen Faktoren empfohlen.
Der Marktwertfaktor bewegt sich immer um die Zahl 1 herum (also z.B. von 0,85 bis 1,37) und wird als Multiplikator mit dem vorläufigen Sachwert eingesetzt.
Liegt der Marktwertfaktor unter 1 (z.B. in ländlichen, strukturschwachen Gebieten mit wenig Nachfrage), reduziert sich der marktangepasste Sachwert entsprechend prozentual. Liegt er über 1, erhöht er sich entsprechend prozentual.
Beispiel: Für Einfamilienhäuser in „bester Wohnlage“ gibt der Gutachterausschuss München im Immobilienmarktbericht 2018 einen Marktanpassungsfaktor von 1,15 an. D.h., der vorläufige Sachwert liegt um 15 % höher.
Beispiel 2: Marktangepasster Sachwert: € 2.142.000,- (vorläufiger Sachwert von € 1.862.500,- * 15 % /ca. € 279.500,-)
Anmerkung: Anhand dieses Beispiels erkennt man die Schwächen des pauschalierten Marktwertfaktors.
Für „beste Lagen“ wird vom Gutachterausschuss ein Faktor von 1,15 angegeben, für „gute Wohnlage“ einer von 1,10. In der Praxis wird der Unterschied aber deutlich höher ausfallen als nur 5 % (1,15 minus 1,10) vom vorläufigen Sachwert.
Zu- und Abschläge Anpassung objekt- und lagespezifischer Besonderheiten
Hierunter sind wertbeeinflussende Umstände und Gegebenheiten des konkreten Objektes zu verstehen, die vom Üblichen abweichen und denen der Grundstücksmarkt einen eigenen wertbeeinflussenden Faktor beimisst.
In der bereits erwähnten, aktuellen Sachwertrichtlinie vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung von 2012 werden folgende Beispiele hierfür aufgezählt:
- 1. Besondere Ertragsverhältnisse
- 2. Baumängel und Bauschäden (wenn sie unverzüglich beseitigt werden müssen)
- 3. Wirtschaftliche Überalterung
- 4. Überdurchschnittlicher Erhaltungszustand
- 5. Freilegungs- und Teilabrisskosten sowie Sicherungsmaßnahmen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung notwendig sind und noch nicht bei der Bewertung des Bodens berücksichtigt wurden
- 6. Bodenverunreinigungen
- 7. Grundstücksbezogene Rechte und Pflichten
Beispiel: Das Haus liegt in einer überdurchschnittlich begehrten Lage, die durch den Marktwertanpassungsfaktor unzureichend berücksichtigt wurde.
Außerdem hat dieses Objekt einen überdurchschnittlichen Erhaltungszustand.
Wir bewerten diese wertbeeinflussenden Umstände zusätzlich mit insgesamt: € 450.000,-
Sachwert des Objektes: € 2.492.000,- (€ 2.142.000,- + € 350.000,-)
Vor- und Nachteile des Sachwertverfahrens
Die Vor- und Nachteile liegen auf der Hand und bestätigen die Binsenweisheit, dass „der Markt den Preis bestimmt“.
Vorteile
- Objektives Verfahren zur Ermittlung des reinen Substanzwertes
- Vereinfacht man die Ermittlung der Herstellungskosten, kann man zumindest den reinen Sachwert verhältnismäßig schnell berechnen.
Nachteile
- Das Sachwertverfahren kann nur durch verschiedene Marktanpassungen zum marktgerechten Verkehrswert gelangen.
- Die objekt- und marktspezifische Anpassung erfordert dauernde Marktbeobachtung und gute Kenntnis der individuellen Orts- und Marktgegebenheiten.
- Der Marktanpassungsfaktor ist sehr pauschal und oft unrealistisch. Notwendige, differenzierte Anpassungen sind damit nicht möglich.
- Der dynamische Markt braucht Daten aus der Gegenwart. Die (Durchschnitts-) Werte von den Gutachterausschüssen (Bodenrichtwert und der Marktanpassungsfaktor) beruhen auf Verkäufen aus der Vergangenheit und werden nur alle zwei Jahre aktualisiert.
- Die Sachwertrichtlinie ist vom Jahre 2012. Für moderne Häusertypen (wie z.B. ein Passivhaus) mangelt es an einer ausreichenden, aktuellen Datenbasis.
Parallel immer das Vergleichswertverfahren mit einbeziehen
Die Summe der Nachteile verdeutlicht die Unzulänglichkeit des Sachwertverfahrens. Daher sollte immer – zumindest parallel – auch versucht werden, Abschlüsse von vergleichbaren Objekten hinsichtlich
- Lagequalität
- Größen bei der Wohnfläche und dem Grundstück
- Alter und Modernisierungsstand
- Extras und Besonderheiten
heranzuziehen und durch Ab- und Zuschläge die Unterschiede zum eigenen Objekt „wertgerecht“ zu kompensieren.
In Zeiten des Internets ist dieses für Angebote noch einigermaßen umsetzbar. Schwierig ist das Wissen um den letztendlichen Verkaufspreis, da dieser bekanntlich oft in erheblichem Maße von den (sichtbaren) Anzeigenpreisen abweicht.